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Pilgerreise Olavsweg von Oslo nach Trondheim Teil 2

19.07.21. 8. Etappe: Veldre Konfirmationscenter über die Veldre Kirche nach Rudshoda, weiter über Ringsaker und Moelv nach Ringli

Wetter: Sonne, ca. 20 Grad
Tageskilometer: 22 km, kein besonderer Anstieg

Aussortiert: Gestern den 2. Kugelschreiber und mein Notizheft

Ich werde um 4 Uhr kurz wach und schlafe noch einmal bis 6 Uhr. Dann bleibe ich bis 7 Uhr still im Bett, weil das der Deal mit den anderen Pilgern im Zimmer war. Leise stehe ich auf, gehe ins Bad und wasche mich. Martina ist auch schon wach. Ich bat Martina an mit ihr das erste Stück zu laufen, doch sie fand meine Beine zu lang und mein Tempo zu schnell.

Ich ging zur Veldre Kirche, holte mir meinen Stempel, betrachtete die vielen Grabdenkmäler aus der Eisenzeit und ging weiter. Nach einigen Kilometern kam ich an der berühmten Pilger-Kiefer vorbei. Eingezäunt, majestätisch steht die norwegische Tokstadfurua am Wegesrand. Sie steht unter Denkmalschutz und hält den Rekord als höchster Nadelbaum der Hedmark.
Daneben gibt es eine schöne Naturholzhütte als Raum der Stille mit zwei hübschen Holzstühlen. Ich verweile kurz…

Ich komme durch das nicht attraktive Industriegebiet von Rudshogda. Hier lädt nichts zum Verweilen ein. Danach kommt das Haus, was nun ein Museum ist, mit Garten und einem hübschen Café vom norwegischen Schriftsteller Alf Proysen (1910-1970). Wie entzückend. Hier hole ich mir einen Tee und ein Stück Karotten Kuchen. Sehr lecker.

Irgendwann kommt Martina. Sie holt sich einen Kaffee und Gebäck und setzt sich zu mir. Sie macht den Olavswegs als Spenden-Lauf. Ihr Challenge war heute einen Troll zu fotografieren. Ich zog mir meinen Pulli über den Kopf, schnitt Grimassen und setze einen Deko-Hut auf, fertig war der Troll. Ich helfe, wo ich kann. Wir laufen langsam gemeinsam weiter und unterhalten uns in Englisch und Deutsch über das Leben.

Irgendwann sind wir an der Ringsaker Kirche. Eine Steinbasilika aus dem 12. Jahrhundert. Sie sieht aus wie der Miniatur Dom von Hamer. Die Pilgerherberge ist zwar wegen Corona geschlossen, aber die Kirche bekommen wir aufgeschlossen. Im Inneren befindet sich ein geschnitzter Hochaltar, der ca. 1530 in Antwerpen gefertigt wurde. Eine kleine schwere Eisentür ist offen. Ein dickes Seil hängt herunter. Ich vermute die Treppe zum Glockenturm. Die Stufen sind maximal handbreit, jedoch 50 cm hoch und der Aufgang ist so schmal, dass ich mich hindurchzwängen muss. Ich klettere im Dunkeln nach oben. Allerdings ist oben keine Glocke, sondern nur Dachgiebel. Sehr schade. Ich klettere rückwärts wieder herunter. 

Weiter geht es mit Martina. Wir spazieren heute viel an der Straße entlang, ab und zu durch ein Waldstück. Nach wie vor haben wir meistens einen schönen Blick auf den Mjosasee. Heute ist es nicht so warm. Max. 20 Grad, somit will ich nicht ins kalte Wasser zum Schwimmen.

Der Steinvik Campingplatz ist komplett voll. Mir sind es viel zu viele Menschen. Die Norweger machen in diesem Jahr in der Heimat Urlaub, wie die Deutschen auch.

Wir laufen weiter durch Moelv, hier befindet sich die Brücke über den See. Danach kommen wir an historischen Steinkreisen vorbei. Wir machen ein Foto-Shooting, betrachten das Kriegerdenkmal des 2. Weltkrieges und lesen die Erklär-Tafel zur Schlacht, die hier am See stattfand.

So kommen wir in der Pilgerherberge Ringli an. Die Frau des Hauses begrüßt uns stürmisch, umarmt uns und erklärt uns ihr Anwesen. Ich erkläre, dass ich Vegetarierin bin, und sie macht mir für den Abend eine Gemüse Pasta. Die anderen bekommen Bolognese.

Sie bietet ein Fußbad für 5 Euro an, welches wir mit speziellen Kräutern, Salz usw. machen. Wir sitzen auf der Holzbank, haben die Füße im Wasser und haben einen umwerfend schönen Blick auf den See und werden von der Sonne beschienen. So lässt es sich pilgern.

22 km sind nicht viel und dann das Verwöhnprogramm. Diese Pilgerherberge ist von der Freundlichkeit absolut empfehlenswert. Zudem gibt es ein kleines sauberes Bad für alle, eine hübsche Küche und einen Aufenthaltsraum. Alles in dunklen, einfachen, ehemaligen Holzställen, mit niedriger Deckenhöhe. Was ich mir in dieser Art von Unterkünften schon den Kopf angestoßen habe…

Ich bin mir sicher, dass ich morgen nach Lillehammer laufe – ohne Martina und ohne Übernachtung mit den 3 Männern. Ich merke, ich will mich nicht unterhalten und schon gar nicht Rücksicht auf andere nehmen müssen. Ich will mich ganz frei fühlen. Der Tag mit Martina war nett, weil es auch nur wenige Kilometer waren, sonst hätte ich es als trödeln empfunden.

Also morgen stehe ich früh auf und laufe früh los. Der Abend wird schnell frisch. Ich habe bereits die letzte Nacht im Schlafsack gefroren. Ich hatte meine Leggings, mein langarm Shirt und Socken an. Heute auch. Ich friere immer noch. Vielleicht ziehe ich noch einen Pulli über.
Jetzt hole ich die Wäsche rein und hoffe sie ist getrocknet.

20.07.21 9. Etappe: Von Ringli über Ringen, Nerenga, Brottum, Johannesgarden, Olavskilde (Olavsquelle) nach Lillehammer

Wetter: Sonnenschein, 21 Grad, leichter, kühlender Wind
Tagekilometer: 37 km
Aussortiert: Wäscheleine mit 3 Wäsche-Klammern

In der Nacht lag ich wieder 1,5 Std wach. Einfach so – ohne Grund. Um 6 Uhr stehe ich auf. Ich will nach wie vor früh los, um den Weg nach Lillehammer gut gehen zu können.
Die Nacht mit Martina im Zimmer war unkompliziert.
Falks Luftmatratze hielt nicht die Luft und er schlief auf dem kleinen unbequemen Sofa. Ich entschuldigte mich bei ihm, weil er mir das Bett überlassen hatte.
Ich nehme mein Frühstück aus dem Kühlschrank. Ein herrliches, gesundes Früchte Müsli. Ich esse draußen mit fantastischem Blick auf den Mjosasee. Allerdings ist es noch ziemlich kühl. Vielleicht 13 Grad? Der Ausblick ist es wert etwas zu frieren.

12. Lektion: Haltung wahren

Gestärkt wandere ich kurz nach 7 Uhr stetig bergauf. Heute trainiere ich Haltung beim Gehen. Bis gestern habe ich ein leichtes Hohlkreuz gemacht, obwohl ich den Rucksack nach Anleitung anlege. Zudem laufe ich leicht nach vorne gebeugt. Sozusagen gebeugt von der Last, die ich zu tragen habe. Wären es doch nur 4,5 Kilo… Doch noch immer weiß ich nicht was ich ‚Schweres‘ aussortieren sollte.

Ich nehme meine Walking-Haltung ein: Gerader Rücken, aufrecht, Brust raus, Bauch rein, Kopf hoch. Ich habe deutlich mehr Elan und komme flott voran.
Das habe ich gestern schon immer mal wieder gemacht, doch heute halte ich es fast durchgehend durch. Ich merke, wie gut mir das tut.

Nicht nur die Rückenmuskulatur, sondern auch die Bauchmuskeln arbeiten lassen, das ist der Plan. Also merke: Auch wenn es schwer ist Haltung zu bewahren, dadurch habe ich mehr Kraft, komme schneller voran, kann klarer sehen und nach vorne gehen.

Vielleicht ist es die Lebenslast, die auf mir ruht. Mein Hab und Gut, was mich belastet. Wenn ich mich von all dem nach unten drücken lasse, wird alles schwer und schmerzt. Wenn ich aufrecht damit gehe, ist die Last ein Teil von mir und wird gefühlt deutlich leichter.

Es geht durch Feld, Wald und Wiese. Teilweise wieder hüfthohe Gräser, Dickicht und Brennnesseln. Schon um 10.30 Uhr bin ich an der Kirche in Brottum. Der kleine Supermarkt ist geschlossen. Wie gut, dass ich nicht darauf angewiesen bin.
Außerdem prima, dass ich hier noch nicht übernachten werde, wie die anderen. Ich gehe weiter meinen Weg.

Ich freue mich auf die Olavsquelle, aber sie ist leider nur ein winziges Pfützchen mit Kaulquappen und Mücken an einem großen Stein. Ich entscheide mich keine Wasserflasche aufzufüllen!

Seit dem Mittelalter ist die Quelle heilig. Olav soll hier vorbei geritten sein. Sein Pferd war durstig und magischer Weise sprudelte die Quelle hervor. Auf dem Stein sollen Hufspuren und von Olav mit der Reitgerte eingeritzt worden sein: SANCT OLA KELDE.
Ich konnte nichts erkennen…

An der modernen Kirche kurz vor Lillehammer hole ich mir meinen Stempel ab und erblicke die Ski-Sprungschanzen. Der Weg zieht sich und ich spüre wie jeden Tag, dass ich weit über meinen Grenzen gegangen bin.
Ich folge dem Olavsweg und biege dann zu meiner Unterkunft ab in Birkenbener.
Ich gehe oberhalb der Stadt, am berühmten Maihaugen Folke Museum vorbei. Dann erblicke ich das Olympia Gelände. Meine Unterkunft ist die ehemalige Unterkunft der Olympioniken. Heute eine Sport-Jugendherberge. Ich habe ein Einzelzimmer. Toilette im Flur und Dusche eine Etage tiefer, aber alles sauber. Da ich bereits um 15.30 Uhr da bin, beziehe ich kurz mein Zimmer, mache meinen Rucksack leer und laufe mit leerem Rucksack 600 m in die Innenstadt und kaufe mir eine 2l Trinkblase. Meine 2 Flaschen empfinde ich als sehr unpraktisch und hoffe, dadurch ein leichteres Handling zu haben. Ich durchstreife die kleine, abwechslungsreiche Fußgängerzone. Auch hier keine Geschäfte, die zu einer klassischen Laden-Kette gehören, außer Intersport. Die kleinen Läden verkaufen sehr hübsche Sachen. Wie gut, dass ich nicht shoppen kann, da ich alles tragen müsste.

Ich gehe ins Zimmer und wasche Wäsche, telefoniere mit meiner Tochter, die freiwillig heute bei den Hochwasser-Opfern im Ahrtal geholfen hat und schreibe mit der anderen Tochter, die ihren Lieblingsstudien-Masterplatz erhalten hat. Die Maus ist so ein Glückskind.
Ich bin glückselig, denn ich habe so besondere Töchter. Mein Herz läuft über vor Glück. Ich denke an die unzähligen Glückskäfer, die mir hier unablässig über den Weg laufen.
Ja, ich habe viel Glück in meinem Leben.
Ja, ich bin sehr dankbar dafür.
Ja, es regt sich Demut in mir, dass ich das so erleben darf.

Ich versuche die nächsten Etappen zu planen, aber es ist unklar, wo übernachten möglich ist und wo nicht. Ab jetzt kommt keine Stadt mehr bis nach Trondheim.

21.07.21 1 Tag in Lillehammer – Nein, dann doch 10. Etappe

Von Lillehammer nach Granrudmoen (Übernachtung in Moe Gard)

Wetter: Sonnenschein bei 25 Grad und ab und zu leichter Wind.
Tageskilometer: 25 km
Aussortiert: Wasser-Flasche

Lillehammer (Klein Hamar) liegt rund 180 Kilometer nördlich von Oslo, am Nordufer des Mjøsa-Sees im Gebirgstal Gudbrandsdalen. Die Stadt wurde durch die Ausrichtung der XVII. Olympischen Winterspiele 1994 weltweit bekannt. Sie zählt 38.493 Einwohner. Also 20.000 Einwohner weniger als Frankenthal.

Ein bisschen Geschichte:

Die erste Erwähnung Lillehammers findet sich in der Saga über Håkon Håkonsson, wonach die Birkebeiner im Winter 1204/1205 dort verweilt hätten, bevor sie über die Berge nach Østerdalen gezogen seien.
Die eigentliche Geschichte der Stadt Lillehammer beginnt im Jahre 1827, als die kleine Siedlung Handelsrechte erhielt. Ziel war es, an strategisch günstiger Stelle, am Nordende des Sees Mjøsa und am Südende des Transportkorridors des Gudbrandsdales einen Haltepunkt für Reisende und einen Umschlagplatz für Waren zu erhalten. Seinerzeit wohnten hier etwa 50 Menschen. Zwei Jahre später waren es schon 360. Der Ort entwickelte sich um den Hof Hammer (wörtlich „Berghang“) herum, nahe der heutigen Stadtkirche. 1842 erhielt Lillehammer Stadtrechte.
Sie entwickelte sich auf Grund des günstigen, trockenen Binnenklimas zu einem Erholungszentrum für Lungenkranke. Bald folgten die ersten Touristen, welche die Schneesicherheit zu schätzen wussten, und die Künstler, denen es das spezielle Licht angetan hatte. Weiterhin siedelten sich erste Betriebe an, u. a. eine Baumwollspinnerei. Wichtig für den Tourismus der Stadt war die Gründung des Freilichtmuseums Maihaugen durch den Zahnarzt Anders Sandvig im Jahre 1904. Er sammelte nach dem Vorbild des Freilichtmuseums in Stockholm alte Gebäude aus der Region und rettete diese so vor dem Verfall.

So genug über dieses kleine Städtchen. Jetzt ziehe ich los, um mir alles anzuschauen.

13.Lektion: Pläne ändern sich

Ich breche zum Sightseeing auf. Ich fuhr mit dem Sessellift auf die Sprungschanze und schaute den Skispringern zu, wie sie ohne Schnee enorm weit Springen. Unglaublich, ich bin fasziniert. Da könnte ich ewig zuschauen. Am frühen Nachmittag erklärte mir die Rezeption, dass ich doch keine weitere Nacht bleiben könnte, wegen einer Doppelbuchung.

Okay, Planänderung. Ich rufe sämtliche Hotels in Lillehammer an, ohne Erfolg. Ich suche weiter bei Airbnb und booking.com, ohne Erfolg. Dann rufe ich die Touristen Info an und erhalte die Nachricht, dass in der gesamten Region wirklich jedes Bett belegt ist. Lillehammer hat den größten Freizeit Park in Norwegen und viele weitere Attraktionen, so dass es die Urlaubsregion der Norweger ist.

Gut, dann Plan C: ich schaue mir an, was meine nächsten Wegstationen sind und rufe dort jede Unterkunft an. Ebenfalls alles ausgebucht. Aha, ihr wollt es mir nicht leicht machen.

Ich besorge noch 11 Postkarten und setze mich an den Marktplatz in die Sonne, bestelle Falafel und schreibe die Karten. Ich habe eine Woche vor Abreise davon geträumt an diesem Marktplatz zu sitzen und Karten zu schreiben. Das wollte ich mir nicht nehmen lassen.

Um 14 Uhr lief ich dann los auf die nächste Etappe des Olavswegs, auch wenn ich keine Übernachtung habe. Ich vertraue. Irgendetwas wird sich auftun. Ich komme an einer Bäckerei vorbei und hole mir eine Schneckennudel und Scones, die ich später auf dem Weg vernasche anstatt Abendessen.

Es geht durch Wald, Wiesen und Felder, immer wieder auch bergauf und heute das erste Mal immer wieder gefüllte Bachläufe, an die man ran kommt, um Wasser aufzufüllen.

Ich werde vorausschauender. Ich erkenne die Wegzeichen schneller, vielleicht ist der Weg auch besser gekennzeichnet. Auf jeden Fall ist das Ergebnis weniger Suchen und weniger Verlaufen und das ist gut so. Eventuell bin ich einfach fokussierter, weil mich der Weg nicht mehr ganz so stark herausfordert.

Der Weg ist schön, doch die Beine müde. Ich achte auf meine Haltung.
Endlich komme ich in die Zielregion der Etappe. Ich rufe noch einmal verschiedene Locations an, ohne Erfolg. Ich stehe vor einer Adresse, die wegen Covid dieses Jahr nicht vermietet. Ich rufe an und werde abgewiesen. Ich gehe an die Tür und bitte höflich und erkläre die Situation. Ich habe des Besitzers Mitleid geweckt und er gibt mir den Stall mit Bett ohne Sanitäranlagen. Egal, ich bin glücklich. Ich gehe zum nahegelegenen Bach, fülle die Wasserflasche auf und wasche mich. Dann gehe ich in meinen Stall, packe aus, ziehe mich um und schreibe meinen Tagebucheintrag.
Es ist gleich 21 Uhr. Durch die Holzbretter kann ich durchschauen und die Schafe unter mir zählen, wenn ich nicht schlafen könnte.



22.07.21 11. Etappe: Von Granrudmoen über die Pilgerherberge Skaden Gard über ein Gräberfeld nach Borkerud und von dort nach Glomstad Gard og Pensjonat

Wetter: Sonnenschein, 30 Grad.
Tageskilometer: 21 km
Aussortiert: Haarspülung

Ich war zwar sehr müde, doch das Schlafen will nicht so richtig funktionieren. Da half auch Schäfchen-Zählen nicht. Ich höre zum Einschlafen Harpe Kerkeling ‚Ich bin dann mal weg‘. Ich hätte das gleiche über meine ersten 4 Tage schreiben können, nur hatte ich bisher ausschließlich Sonnenschein. Die Schmerzen im ganzen Körper, das nicht mehr weiter wollen, das Gepäck, dabei trägt er nur 11 kg inkl. 1/2 Liter Wasser, weil er überall an Wasser und Verpflegung kommt. Ich musste auf jeden Fall grinsen als ich es hörte…
Man glaubt es nicht, wenn man nicht selbst gepilgert ist.

Um 6 Uhr fingen die Himbeeren-Pflücker an unter meinem Stall Lärm zu machen. Ich stand auf, packte zusammen, wusch mich in eiskalten Flusswasser. Trinken konnte ich davon nichts, das war zu kalt.

Um 7 Uhr lief ich los. Unterwegs esse ich einen Riegel und trinke zu schnell meine 2l aus der Trinkblase aus. Durch die Wasserblase habe ich keine Kontrolle mehr wie viel Wasser ich noch habe, weil sie im Rucksack verstaut ist. Egal, sie ist praktisch. Ich werde es lernen entsprechend einzuteilen.

Der Weg ging wieder viel bergauf, durch Wälder und viele Schluchten mit großen, tosenden Wasserfällen, allerdings war es nicht möglich direkt zum Wasser zu kommen. Ich gehe meistens am Bergkamm und schaue auf den See Lagen (wie gestern übrigens auch, denn der Mjosasee ist in Lillehammer zu Ende gewesen)

Heute habe ich wieder ein Kunstwerk auf dem Weg als Denkanstoß. Eine riesige Ameise aus Metall mit einer Kamera in der Hand, direkt vor einem echten, riesigen Ameisenhaufen. Interessant… Ein Norweger kommt des Weges, mit freiem Oberkörper, wie fast alle Männer hier, weil für sie die aktuellen Temperaturen kaum auszuhalten sind.
Er spricht mich an. Fragt nach meinen Erfahrungen auf dem Weg und erzählt, dass er hier seine Familie besucht und sich die 8 Kunstobjekte auf dem Pilgerweg anschaut…

Unterwegs rufe ich, 6 km nach der heutigen, empfohlen Guide-Etappe, eine Pension an und bekomme ein Zimmer mit Frühstück. Sogar vegetarisches Abendessen ist möglich. Ich bin erfreut. D.h. heute habe ich wieder Strom. Bereits um 14.30 Uhr komme ich dort im Nirgendwo an. Mein Zimmer ist noch nicht fertig. Ich bekomme ein Glas Wasser und lege mich draußen in die Hängematte.
Das Haus ist 1750 gebaut und wenig seither renoviert worden. Im Winter ist es eine Skihütte.
Gegen 15 Uhr bekomme ich mein Zimmer. Es ist so einfach wie mein Zimmer über dem Stall gestern, aber ich habe Bettwäsche und eine Etagen-Dusche. Diese ist sehr klein und mit ziemlich schrecklich vermoderten Duschvorhang. Okay, immerhin Wasser, Strom und etwas zu essen. Abendessen gibt es um 19 Uhr. Ich habe Hunger. Der Müsliriegel hielt nicht lange an. Es gibt einen norwegischen Schokoriegel zu kaufen. Ich freue mich.

  1. Lektion: Genießen ist (k)eine Kunst

Endlich mal wieder Schokolade. Er schmeckt wie ein Mars-Riegel und ich genieße ihn sehr. Ganz langsam lasse ich ihn mir auf der Zunge zergehen. Hhhhmmmmmm…..


Ich suche ich mir einen Platz auf der Rasenfläche, breite eine Decke aus und lege mich in die Sonne. Das tut meinen müden Gliedern sehr gut. Ich genieße die Freiheit, die Leichtigkeit, die Sonne…

So ist pilgern gar nicht so schlecht.
Heute will ich das Schöne und Leichte beim Pilgern erfahren. Die Schmetterlinge, die mir zu Hauf auf meinem Weg begegnen, genauso wie die Glückskäfer.
Ja, mit Glück und Leichtigkeit lässt es sich prima leben.

Um 19 Uhr gibt es Abendessen. Wie süß, ich werde sogar gerufen. Es sind noch 10 andere Personen im Restaurant. Ich erhalte eine vegane Frikadelle mit Country Kartoffeln. Ich esse hastig, merke dabei wie hungrig ich bin. Ich verlangsame mein Tempo und genieße, dass es ein warmes, vegetarisches Abendessen gibt. Ich trinke Tee und Wasser dazu. Als Dessert schaffe ich nur einen kleinen Klecks Blaubeer-Crumble.
Schade, dass ich so schnell satt bin und nicht auf Vorrat essen kann.
Der Chef des Hauses und gleichzeitig Koch setzt sich zu mir. Erzählt über den Weg, meine Etappen. Empfiehlt mir heute Abend unbedingt in Ringbu etwas zu buchen, weil aktuell wirklich jedes Mauseloch gebucht ist.
Ich rufe die erste Unterkunft an. Keiner geht ran, die zweite ist eine Holländerin und spricht deutsch. Sie hat nichts mehr frei, weiß dass es im Ort nichts mehr gibt. Sie überlegt kurz und bietet mir dann ein Zimmer ohne Fenster an. Ich sage zu. Morgen muss ich wieder viel laufen, obwohl ich erst um 8.30 Uhr loskomme, da ich erst um 8 Uhr frühstücken kann.
Ich fülle meine Wasserblase auf und richte schon alles für morgen vor.

Mein Essensvorrat wird weniger. Ich habe noch 200 g Nüsse und einige Riegel, vielleicht ein Drittel weniger…
Nur meine Winterjacke, Mütze und Handschuhe sowie Regencape hatte ich noch nicht in Gebrauch, doch will ich nicht darauf verzichten.
Morgen ziehe ich mein pinkfarbenes T-Shirt an und werde es morgen Abend entsorgen, anstatt zu waschen. Ich bin mehrfach im Gebüsch hängen geblieben und habe viele Fäden gezogen. Gewicht habe ich mit all dem noch nicht so viel reduziert. Doch es zählt jedes Gramm.

Mal sehen, wie es mir morgen geht, nachdem ich heute einen halben Schontag gemacht habe. Zumindest mental geht es mir prima. Es ist schön jeden Tag so viel in der Natur zu sein. Wind und Sonne zu genießen, die Kühle am Morgen die Hitze am Mittag. Die Pflanzen, das Wasser, die Weite berühren mich täglich. Leider kann ich diese Schönheit nicht mit der Kamera einfangen. Das bleibt alles in meinem Herzen.

23.07.2021 12. Etappe: Von Glomstad über Favang nach Ringbu

Wetter: Sonnenschein, 28 Grad.
Tageskilometer: 31 km
Aussortiert: Drittes Paar Wandersocken

Auch heute werde ich um 2 Uhr wach und schlafe nicht mehr ein. Um 7.45 Uhr bin ich beim Frühstück: ein gekochtes Ei, zwei Scheiben Brot mit Käse, 1 Tasse Kamillentee, 2 kleine Stücke Wassermelone.
Ich bezahle, gepackt hatte ich schon, so laufe ich direkt los.
Es geht sehr viel steil bergab. Wieder über Brücken an Wasserfällen, durch Wald und Wiese.
Es wird schnell heiß. Unterwegs treffe ich eine korpulente junge Frau aus Deutschland. Sie hat in Lillehammer den Weg begonnen, weil sie den ganzen Weg nicht schafft und ab hier der schönere Teil beginnen soll. Heute ist ihr 3. Tag. Sie überlegt abzubrechen. Ich mache ihr Mut…

15. Lektion: Die Schönheit des Alltäglichen

Ich kann nicht behaupten, dass der Weg ab Lillehammer schöner wäre als der Weg von Oslo nach Lillehammer. Schönheit liegt im Auge des Betrachters.
Nach wie vor bedauere ich, dass eine Kultur entsteht, die alles einmalig und spektakulär haben möchte. Dabei ist das Natürliche, das Einfache, das Alltägliche genauso schön. Wir haben nur verlernt es zu schätzen. Die Gewohnheit lässt es uns geringschätzen. Wenn uns etwas Freude bereitet, ein Hobby z.B. dann kommen wir ja auch nicht auf die Idee, weil wir es oft machen, würde es keinen Spaß mehr machen…


Unzählige Glückskäfer und Schmetterlinge sind heute wieder für mich da. Ansonsten brauche ich meine Konzentration für den Weg, die steilen Wegabschnitte und das Navigieren. Ab und zu singe ich schräg vor mich hin. Heute waren es die Klassiker von John Denver – Country Musik, passend zur Umgebung.

Um 13 Uhr komme ich im kleinen Favang an. Eigentlich ein typischer Skiort. Ein Bistro im Zentrum lädt mich ein draußen zu sitzen und ich nehme heute sogar ein Mittagessen ein, vegetarisches Thai Curry.
Ich wandere bis zum Wasserfall von Favang und Strecke die Füße ins kalte Wasser. Schön ist es.

Danach klettere ich einen steilen Berg hinauf und muss feststellen, dass ein Abgrund von 20 m nicht zu überwinden ist. Die Brücke fehlt. Da hat auch Google wenige Ideen wie es weiter gehen kann. Ich finde einen Weg, indem ich am Fluss Lagen entlang und am Rand der E 6 bis zur Ringebu Stabkirche gehe. 
Sie ist die größte von 28 noch erhaltenen Stabkirchen in Norwegen. Sie wurde ab 1220 anstelle einer älteren Vorgängerkirche hier erbaut. Auch der Taufstein aus dieser Zeit ist noch erhalten und steht im Inneren. Leider ist sie wie alle Kirchen abgeschlossen. Ich bestaune die alten, erhaltenen Grabsteine und schaue mir das Pfarrhaus von 1750 an und der gepflegten Pfarrgarten.

Ich laufe die letzten 4km ins Dorf Ringebu. Das ist klein, doch die Altstadt Straße ganz hübsch. Alte Häuschen, schön renoviert mit viel Flair und ein paar wenigen Geschäften und Restaurants.

Ich finde meine Unterkunft, Jonsgard Seng og Frokost, Jernbanegt 10 in Ringebu. Ein anderer Gast nimmt mich in Empfang, weil die Hausherrin mit dem Hund spazieren ist. Sie will auch gleich, dass ich mit ihnen ins Restaurant gehe. Ich lehne dankend ab und möchte gern weiterhin meine Ruhe haben.
Mein Zimmer hat tatsächlich kein Fenster jedoch eine Kochgelegenheit und ein Bad. Ich bin trotz der 30 km so fit, dass ich durchs Dorf schlendere. Im Supermarkt kaufe ich Heidelbeeren und eine Tüte Chips. Nicht gesund, aber Lust habe ich darauf. Ich setze mich in den Garten und esse genüsslich.

Ich will morgen bis nach Vinstra. Leider ist keine Übernachtung in der Umgebung zu finden. Ich werde morgen mal wieder rum telefonieren ob ich etwas finde.
Das Laufen mit einem vagen Ziel, mit der Freiheit wie lange und wohin ich gehen will tut mir gut. Keine Rücksicht auf die Bedürfnisse eines anderen nehmen, sondern nur für mich selbst sorgen.
Morgen würde ich laut Guide die Hälfte der Strecke erreichen. Am 13. Tag. Eventuell reichen mir dann 26 Tage für den Gesamtweg…

 

24.07.21 13. Etappe: Von Ringebu über Frya nach Hundorp, am Pilgerzentrum Dale Gudbrand vorbei über Harpefoss bis zur Hütte Ovre Skar

Wetter: Sonnenschein, 30 Grad, am Nachmittag viel Donner und schwarze Wolken
Tageskilometer: 23 km
Aussortieren: Sonnenbrille – da ich meine Lesebrille dauernd benötige macht die Sonnenbrille keinen Sinn

Endlich mal eine tief erholsame Nacht. Mein Frühstück steht bereit, das wird ein guter Tag.
Der Vormittag verläuft entspannt bis zum Pilgerzentrum Dale Gudbrand. Hier kam es zu einem folgenschweren Aufeinandertreffen zwischen dem Wikinger Dale Gudbrand und Olav, der im Jahr 1021 versuchte alle Norweger unter seiner Herrschaft und dem christlichen Glauben zu einen. Dieses Treffen soll bei Sonnenaufgang gewesen sein, was Olav als das ‚Kommen seines Gottes mit großem Licht‘ deutete. Er ließ die große Thor-Statur zerstören, aus welcher der Legende nach Echsen, Schlangen und Ratten herausquollen. Von diesem Ereignis beeindruckt, unterwarfen sich Dales Leute dem Herrscher und dem neuen Glauben. Hier wurde die erste Kirche des Tales erbaut.

Ich lief weiter zur Sor Fron Kirke. Sie war sogar offen. Sie ist 1792 im Achteck gebaut und gilt als Dom des Gudbrandsdales. Der hohe Raum, dessen Dach auf 4 gewaltigen Föhrenstämmen ruht, strahlt durch die schönen Schnitzarbeiten und Marmorierung eine helle und gemütliche Atmosphäre aus.

Wieder komme ich an Hügelgräbern vorbei (Kleberhaugen), wie üblich kann ich sie trotz Hinweistafel nicht erkennen. Hierfür fehlt mir einfach der Blick.

Dann komme ich zur historischen Pilgerherberge Sygard Grytting. Sie war bereits im Mittelalter eine Pilgerherberge und die Original-Räume, Häuser und Einrichtungen sind noch vorhanden und zu besichtigen. Großartig, sieht aus wie in meiner Fantasie.
Zudem kann man heute dort noch übernachten. In Einzelzimmer oder gemeinsamen Zimmern. Es ist alles auf Mittelalter gemacht und doch ein bisschen modern, mit Waschbecken aus Sandstein. Echt toll. Wenn es nicht erst 13 Uhr wäre würde ich auf jeden Fall hier übernachten. So gehe ich nach meiner Besichtigung weiter.

Mein Weg führt enorm steil in den Wald hinein und auf einem sehr schmalen Steg an der Felskante entlang. Oftmals muss ich klettern und die Hände zu Hilfe nehmen. Zudem muss ich aufpassen, dass mich der Rucksack nicht aus den Gleichgewicht bringt. Mal unter Baumstämmen durch, mal oben drüber. Beides ist mit dem Rucksack nicht leicht. Ich klettere oben am Bergkamm entlang und sehe auf den gegenüberliegenden Berg. Dort hängen die dunklen Wolken und es regnet. Ich kann das beständige Donnern hören.

So kam ich um 15.30 Uhr bei der Hütte Ovre Skar an. Das Vorhängeschloss war eingerostet. Nach drei Versuchen gelang es mir es zu öffnen.
Leider war das versprochene Wasser neben der Hütte ausgetrocknet. Ich hatte nur noch einen knappen Liter Wasser bei mir.
Es begann jedoch so zu gewittern, dass ich mich entschied trotzdem zu bleiben. Schweren Herzens, denn die Hütte war schlimmer als jeder Stall bisher. Spinnen, Käfer, Ungeziefer fühlten sich darin sehr wohl. Das Insektenhotel.

Meine Tochter rief an und wir telefonierten eine Weile. Das tat gut, um mich von dem Ekel in der Hütte abzulenken. Okay, hier werde ich geprüft. Kein Wasser mehr zu trinken, mein Handy Akku leer. Ich suche in 1 km um die Hütte nach Wasser, ohne Erfolg. Es wird kalt und feucht heute Nacht. Eine neue Erfahrung.

Ich mache zuerst einmal Feuer im Ofen. Das kann ich zumindest. Ist nicht einfach, aber ich finde dürre Äste und ein paar Streichhölzer. Es knistert nach einer Weile gemütlich und wird behaglich warm. Bei der kleinen Hütte habe ich bald Sauna Temperatur und keinen Sauerstoff mehr. Ich öffne die Tür…

Langeweile stellt sich ein, nur in die Natur zu schauen wird eintönig.
Ich meditiere, jedoch spüre ich dabei schnell jeden Muskel…

25.07.21 14. Etappe: Von Ovre Skar nach Vinstra, vorbei an der Giraffen Skulptur und weiter über Kwam nach Varphaugen Gard auf den Campingplatz

Wetter: Sonnenschein, 30 Grad
Tageskilometer: 33 km
Aussortiert: Einmal-Waschlappen und Taschentücher (ich gebe zu, nicht wirklich aussortiert, sondern aufgebraucht) und Handy Kopfhörer

Ich werde mehrfach wach in der Nacht. Es ist gespenstisch still im Wald. Anders als im Regenwald auf Sumatra, der nachts unbeschreiblich laut ist. Zudem wird es ja nicht richtig dunkel, so ist es eine lange Dämmerphase. Ich schaue immer mal wieder aus dem Fenster, ob ich scheue Waldtiere sehen kann. Leider nein. 

So schlafe ich immer wieder ein, obwohl die dünne, vergammelte Matratze auf den wenigen Holzlatten eine echte Zumutung für meinen Rücken ist. Ich nehme meinen Sack für Klamotten als Kopfkissen, da mein Nacken heftig schmerzt. Mitten in der Nacht stehe ich auf, packe meine Sachen zusammen und bastele das Schloss an die Tür.

Seit gestern habe ich Durst. Durst beherrscht dann das Denken. Wasser wäre wirklich prima. Aber es kommt kein Wasser. 3 Stunden geht das so, dann komme ich an einem Hof vorbei. Es ist noch zu früh um am der Tür zu klingeln und um Wasser zu bitten.
Im Garten ist der Gartenschlauch angeschlossen. Kein Hund im Hof. Ich nehme meine Wasserflasche, fülle diese auf und trinke sie direkt wieder leer. Ich fülle sie erneut und gehe weiter.

Ich komme an einer riesigen, gelben Giraffe als Kunstwerk vorbei. Ohne Handy-Akku kein Foto. Ich mache meine erste 5-minütige Pause und frühstücke einen Riegel. Gestern Abend habe ich gegen 17.30 Uhr 80 g Nüsse gegessen, das war alles.

Ich will heute weit gehen, allerdings gibt es nur in Kwam einen Supermarkt (natürlich heute geschlossen) und ein Restaurant. Da muss ich einkehren, denn ich weiß noch nicht, wo ich die Nacht verbringen werde.

In Kwam nehme ich 4 km Umweg in Kauf, um beim Truck Stop wenigstens Fast Food zu bekommen. Ich komme dabei an der Kirche vorbei, fülle meine Wasserblase auf und ziehe mein Kleid an, weil es inzwischen heiß geworden ist. Was habe ich doch für ein Glück mit dem Wetter und ein Glück, dass mein Muskelfaserriss in der Wade ausgeheilt ist. Ich spüre nur mein rechtes Knie ab und zu und mein rechter Knöchel schmerzt dauerhaft, jedoch erträglich.

Im Truck Stop nehme ich einen kleinen Salat und eine kleine vegetarische Pizza. Und lade während dem Warten mein Handy.

Die Pizza ist riesengroß. Die kann ich niemals essen, auch nicht trotz Hunger und auf Vorrat, wer weiß, wann ich wieder etwas Warmes bekomme. Ich beginne mit dem Salat. Ein paar Vitamine sind prima, dann genieße ich die leckere Pizza soweit möglich. Ich nehme den Rest nicht mit. Kalte Pizza kann ich auch als Pilgerin nicht ertragen.

Gestärkt mache ich mich um 13.30 Uhr wieder auf meinen Weg. Die Sonne brennt vom Himmel, der Bauch ist voll, der Rucksack durch das Wasser schwer, immerhin das Handy ist wieder etwas geladen.

Es geht natürlich wieder bergauf, kleine Pfade an der Felskante entlang, denn in diesem Wald liegen bereits die Gletschersteine.

1 Stunde vor dem Ziel treffe ich ein deutsches junges Paar, welches seit Lillehammer pilgert und in den 14 Tagen, die sie Zeit haben, gemütlich gehen wollen, ohne ein Ziel zu haben. Sie könnten in dieser Zeit nach Trondheim gehen, aber den Stress wollen sie nicht. Ich überhole und bin auf dem Campingplatz um 17.45 Uhr und werde keine 3 Stunden nach Otta zum Hotel schaffen. Dafür war die Etappe viel zu herausfordernd. Ich bekomme eine Hütte.

Abendessen will ich keines, dafür war das Mittagessen zu üppig und die Küche lockte mich nicht. Frühstück gibt es erst ab 9 Uhr ohne Ausnahme. Also werde ich morgen ohne Frühstück aufbrechen. Allerdings gibt es ein Bounty. Juhu, das kaufe ich und esse es genüsslich, nachdem ich geduscht und gewaschen habe. Wasser ist wunderbar.

Ich lese, dass dieser Ort eine lange Pilger Tradition hat. Er hieß Warphaugen, was von dem Brauch kommt Steine ins Wasser zu werfen, die man unterwegs gesammelt hat und für die Sünden stehen. Diese wurden hier weggeworfen als eine Art seelische Reinigung. Ich habe bewusst keine Steine gesammelt. Mir fallen keine Sünden ein. Ich bin zufrieden mit meinem Leben. Ich fühle mich stark und innerlich zufrieden.

Mein Guide erklärt mir, dass ich morgen für die nächsten Tage einkaufen muss. In Otta, wo ich heute schon hinwollte, soll es die letzte Möglichkeit geben bevor dann der Gletscher beginnt. Morgen soll auch der letzte sonnige Tag sein.
Mal sehen. Ich plane Tag für Tag. Bisher läuft alles entspannt ohne, dass ich im Voraus buchen oder planen muss. Ich liebe weiterhin meine Freiheit und Spontanität.

Was für ein Kontrastprogramm zu meinem sonst so eng getakteten Terminkalender! Dabei mag ich meinen Job und arbeite leidenschaftlich gerne, trotz der hohen Schlagzahl. 

 

26.07.21 15. Etappe: Von Varphaugen über Otta und Sel Kirke bis zum Jorundgard Mittelaltersenter, dann weiter an der Nord Sel Kirke bis nach Ringen zum Vollheim Campingplatz

Wetter: Sonnenschein, 23 Grad
Tageskilometer: 33 km
Aussortieren: Handy Kopfhörer 2. Paar

Beim heidnischen Opferplatz traf Olav 1021 auf die dem Christentum feindlich gegenüberstehenden Anhänger des Wikingers Dale Gudbrand und schlug sie. Dies hatte einen großen Einfluss auf die Christianisierung dieser Region. Heute steht dort ein Kreuz.

In einer Bäckerei esse ich ein möchte-gern Vollkornbrötchen mit Käse und einen Zimtknoten, den mir Martina empfohlen hatte. Sehr lecker. Weil es so warm ist, kann ich kein Brötchen mitnehmen und kaufe eine Schneckennudel für unterwegs.
Im Supermarkt besorge ich noch 3 Riegel und 3 kleine Packungen Nüsse für die Gletscherüberquerung.
5 Tage kein Essen. Mal sehen, ob das tatsächlich stimmt.
Ich laufe ewig am Fluss Lagon entlang, der glasklar neben mir fließt. Eine sehr lange Fliegenfischer Zone ist ausgewiesen. Ich sehe auch einen Mann im Wasser, der auf diese Weise fischt. Ich beobachte ihn eine Weile, allerdings hat er in dieser Zeit nichts gefangen.

1742 wurde die Sel Kirke, komplett aus Holz gebaut, eingeweiht. Die Innenausstattung ist noch gänzlich von damals erhalten. Im Mittelalter stand hier eine Stabkirche, die dem Hl. Olav geweiht war.

So wie ich zuhause in meinem Alltag am Morgen aufstehe, joggen gehe und dann fokussiert arbeite, so ersetzt hier das Laufen meine kontinuierliche Arbeit. Laufen genieße ich und arbeiten meist auch. Ist es nicht wunderbar festzustellen, dass einem die eigene Arbeit erfüllt und Freude bereitet?

Vielleicht wäre für mich das Kontrastprogramm – nichts zu tun? Gar nichts. Ich verwerfe den Gedanken sofort wieder. Es überkommt mich ein Grauen. Nein, soweit bin ich (noch) nicht, um nichts zu tun.

  1. Lektion: Ich stehe auf der Sonnenseite des Lebens

Ich freue mich, dass ich ein Sonnenkind bin und die Sonne mich auch heute, wie schon so oft in meinem Leben begleitet, mich stärkt und glücklich macht.
Ich lebe auf der Sonnenseite des Lebens. Ich bin zufrieden mit meinem Leben.

Ich habe zwei außergewöhnliche Töchter großgezogen und unser intensives Verhältnis schenkt mir tiefen Seelenfrieden.

Zudem habe ich fürsorgliche Eltern, die in jeder Notlage für mich da sind. Da die beiden sich um so vieles sorgen, muss ich mich nicht mehr sorgen. Wie gut, dass mir diese Last genommen wurde. Ich habe ein tiefes Vertrauen, dass alles gut und richtig ist, so wie es ist.

Ich habe tolle Freundinnen, auf die ich mich verlassen kann und die tief in meine Seele blicken dürfen. Was für ein Geschenk.

Der Weg wird steiler und geht vom Feldweg in den Wald. Schön ruhig und einsam, allerdings sehr schmale Pfade zum Klettern, um über die Eisenbahnschienen zu kommen.
In Ringen steht das Kreuz, die Quelle ist wieder versiegt. Noch habe ich Wasser, aber nicht mehr viel.

Es zieht sich durch den Wald mit vielen großen Gletschersteinen. Ich mache eine Pause, esse die Schneckennudel und eine Handvoll Nüsse und weiter geht’s.
Um 18 Uhr treffe ich am Campingplatz ein. Ich kaufe mir ein Eis und esse dieses genüsslich in der Sonne. Dann gehe ich duschen und sehe eine Waschmaschine. Juhu. Sofort kommt alles da hinein.

Noch im Handtuch sehe ich Greta über den Campingplatz laufen. Ich freue mich riesig. Wir unterhalten uns, dann kommt auch Morten vor meine Hütte. Die beiden vom Anfang der Tour. Ich dachte die sind schon weiter. Sie waren so schnell. Sie erzählen, dass sie schon unterschiedliche Marathons mitgelaufen sind, z.B. in Berlin. Unglaublich. Ein tolles Paar. Sie wollen wegen dem Regen morgen nur eine kurze Etappe machen. Ich bin gespannt. Ich entscheide mich morgen spontan…

Gegen 21 Uhr bekomme ich extreme Kopfschmerzen. Migräne. Hatte ich erst einmal in meinem Leben. Ich habe Notfall-Medikamente dabei, allerdings noch nicht getestet. Als ich es nicht mehr aushalte, nehme ich eine Tablette. Ich reagiere allergisch, wie auf die meisten Medikamente. Sofort nehme ich meine Anti-Allergen-Medikamente hinterher. Die Atemwege schwellen trotzdem zu. Ich laufe auf dem Campingplatz auf um ab um Luft zu bekommen. Zwischendurch halte ich den Kopf unter kaltes Wasser. Was für ein Schmerz…

27.07.21 16. Etappe: Von Vollheim Campingplatz über Dovre nach Budsjord.
Übernachtung in Budsjord Pilegrimsgard

Wetter: Bewölkt, trocken bis zur Unterkunft. Anschließend Regen
Tageskilometer: 16 km
Aussortiert: Sitzkissen

Von 6 bis 8 Uhr schlafe ich ein. Endlich. Als ich aufwache fühle ich mich wie gerädert. Trotzdem stehe ich langsam auf. Kopf unter das kalte Wasser halten und 2x Magnesium nehmen, 1l Wasser trinken, einen Energieriegel essen und zusammenpacken.
In diesen 2 Stunden hat es geregnet. Aktuell ist es zwar bewölkt, aber trocken.

Die Beine sind wackelig. Ich sollte einen Tag pausieren. Aber nicht auf dieser Camping Anlage zu viele Tiere in meiner Holzhütte. Anstatt der 2 Etappen, die ich heute laufen wollte, gehe ich nur eine. Das steht fest. Ich werde meinem Körper eine Pause gönnen.

Ich laufe los – durch Wald und an einigen schönen Wasserfällen entlang. Irgendwann komme ich nach Dovre. Der Ort ist bereits seit dem Mittelalter belegt, sogar in den Archiven des Vatikans ist die Kirche beschrieben. Die Kirche ist wie üblich geschlossen.
Ich komme an einem Café vorbei, nicht schön, aber egal. Hinein. Ich esse einen Veggi Burger, trinke eine Tasse Tee und nehme mir sicherheitshalber ein Veggie Focacchio mit für heute oder morgen. Schließlich soll es nun 5 Tage nichts zu essen geben.
Gegenüber gehe ich in den Supermarkt und kaufe 3 Äpfel, Blaubeeren und ein möchtegern Vollkornbrötchen, alles zum Mitnehmen auf den Gletscher. Ich glaube mein Körper will Vitamine. Ich kaufe noch 600g Kirschen und esse diese direkt auf dem Weg.

Ich komme erneut an eine Hl. Olavsquelle. Zum ersten Mal gibt es Wasser. Sehr kalt, ich lasse es mir über den Kopf laufen und glaube fest daran, dass es magische Kräfte hat.

Um 13.30 Uhr komme ich bereits an. Gerade fängt es zu regnen an. Ich frage nach einem Zimmer. Alles ausgebucht. Im Abstellstall kann sie mir eine Matratze hinlegen. Unfassbar als ich das sehe. Ich stimme trotzdem zu. Ich setze mich vor den Stall unter einen Dachvorsprung und schaue in den Regen.

Sofort rufe ich die Unterkunft für morgen, den Gletschereinstieg, an und bekomme noch ein Bett.
Juhu. Immerhin das ist geklärt. Somit auch morgen eine kurze Etappe. Egal, nach der Höllennacht ist das die beste Variante. Zudem bin ich vor dem Regen in der Herberge. Um 14.30 Uhr erklärt man mir, dass 2 Pilger abgesagt haben und ich deren Kammer erhalte. Besser wie die Abstellkammer und ein wenig Privatsphäre, obwohl es nur mit Tüchern zu den Betten nebenan abgetrennt ist.

Ich packe aus, dusche und lege mich hin. Das tat gut. Ich döse trotz der unzähligen Fliegen ein. Da alles offen ist brauche ich sie auch nicht jagen, denn es kommen unzählige nach.

Um 18 Uhr findet das Pilgerabendessen statt. Es gibt Brot mit Butter und Gemüse-Suppe. Lecker. Das junge deutsche Paar ist dabei, und eine Mutter mit Tochter aus Norwegen sowie Greta und Morten. Wir sitzen bis 22 Uhr zusammen und unterhalten uns gut in Englisch.

Dann krieche ich in den Schlafsack. Die unzähligen Fliegen und Spinnen versuche ich zu ignorieren und ziehe meinen Schlafsack über den Kopf. Die beiden Nachbarbetten sind nur mit einem Tuch abgetrennt und das Schnarchen beginnt …

Es ist nasskalt durch den Regen. Ich bin gespannt, wie es auf dem Gletscher ab morgen wird. Habe ich bereits erwähnt, dass diese 2-geteilten Stalltüren, die ich fast jede Nacht habe wirklich extrem unpraktisch sind?

 

28.07.21 17. Etappe: Von Budsjord (Bonnealtar) in den Fjell Nationalpark (Allmannroysa, Jedermannssteinhaufen) über den reißenden Gebirgsbach Hundyrju nach Fokstugu

Wetter: Bewölkt, leichter Nieselregen, 14 Grad
Tageskilometer: 14 km
Aussortiert: Outdoor-Messer

Um 5 Uhr werde ich wach. Leichter Nebel liegt im Tal, alles sieht friedlich und still aus. Die besondere Morgenstimmung auf meinem Weg rührt mich täglich. Ich schaue einfach in die Welt, ich atme, nehme wahr und bin im Hier und Jetzt. Alles ist gut so wie es ist.
An Schlaf ist nicht mehr zu denken, trotzdem bleibe ich still, damit die anderen (hinter dem Vorhang) nicht aufwachen.

Um 7 Uhr packe ich zusammen und gehe duschen. Kurz vor 8 Uhr bin ich beim Frühstück, wie die anderen Pilger von gestern Abend auch. Ich bezahle und los geht’s.

Am Bonnealtar mache ich eine kleine meditative Pause. Der große, halbrunde Stein mit den kleinen Steinchen darauf hat eine lange Tradition als Ort, an dem die Pilger niederfielen und um Gottes Segen für die Reise und den Berg baten. Auch heute legen Pilger Steine als Ritual auf den Altar zum Schutz. Schaden kann es ja nicht. 

Es beginnt zu regnen. Zum ersten Mal auf der Reise hole ich mein Regen-Cape hervor und schaffe es dieses umständlich über den Rucksack und mich zu ziehen. Laut Engelhorn Sport Verkäufer, das Beste was es auf dem Markt gibt. Es bläht sich allerdings direkt so auf, dass es sich anfühlt als würde ich gleich als Paraglider abheben. Egal weiter geht’s.

Nun tauche ich ein in den Nationalpark mit der typischen Sumpflandschaft. Mein Weg führt mich Richtung Pass und ich komme am nächsten Steinhaufen Allemannroysa vorbei. Hier ist das Steine ablegen noch beliebter als am Altar. Hier ist man den Himmel so nah, dass Wünsche, Gebete und Hoffnungen, manche sogar auf die Steine geschrieben oder gemalt, in Erfüllung gehen sollen bzw. Sünden vergeben werden oder Erinnerungen abgelegt werden. Ich halte inne und höre in mich hinein… da ist nur innere Ruhe und Stille. Prima, dann weiter so.

Vor der Überquerung des reißenden Gebirgsbaches Hundyrju, besonders bei Schneeschmelze, wird gewarnt. Es gibt kleinere Brücken dafür, allerdings immer nur für einen Teil, den anderen Teil darf ich über die Steine durchs Wasser hüpfen. Das mag ich.

Holzbretter auf dem Weg sollen helfen, dass die Pilger nicht so tief in den Sumpf einsinken… Ich bin eher dankbar, dass es so lange einen so tollen Sommer gab und es deshalb nicht ganz so tief in das Moor geht bei jedem Schritt.

Die Landschaft ist wieder großartig. Ganz anders. Kleine grüne Büsche, ein paar Birken, viele Berge, Nebelwolken…

Wow. Ich bleibe viel stehen und staune, sauge auf, genieße, freue mich, bin gerührt von so viel natürlicher Schönheit. Leider wieder nicht einzufangen in Fotos und Videos. Viele Schafe betrachten mich neugierig und grasen dann weiter. Ich sehe Schneefelder.

Bereits um 12.30 Uhr komme ich bei der Unterkunft an. Lieber wäre ich weiter gelaufen, aber die nächste Unterkunft ist zu weit weg.

Meine Pilger Unterkunft wurde bereits 1120 als Seelenhaus von König Eystein Magnusson erbaut, um Olavsweg-Pilgern in der unwirtlichen Weite des Fjell eine sichere Überlebenschance zu bieten. Sie ist die höchstgelegene, ganzjährig bewirtschaftete Farm Norwegens. Hier befindet sich auch eine Wetterstation.

Täglich um 20.30 Uhr wird in der Kapelle nach dem Ritus von Nidaros (Trondheim) gebetet. Morgens um 8 Uhr die Laudes, die Pilger sprechen die Psalmen in ihrer Landessprache.

Keine Hütte, sondern mit den anderen Pilgern ein Haus. Juhu. Ein eigenes Zimmer. Ziemlich sauber. Keine Insekten. Die gemeinsame Dusche modern und schön. Ich gehe duschen und wasche meine Wäsche.
Inzwischen sind auch die anderen da.
Im Flur brennt der Kamin, um unsere 7 Paar Schuhe drum herum zu trocknen.
Wir sitzen in der Küche zusammen und unterhalten uns. Jonas und Juliane kommen aus dem Ruhrgebiet. Ein interessanter Austausch beginnt. Später kommen Morten (Lehrer für Religion, Ethik) und Greta (Krankenschwester für schwererziehbare Jugendliche) dazu.

Um 17.30 Uhr mache ich mir meine Focaccia warm und esse sie als Abendessen. Danach gehe ich ins Zimmer und plane meine Tour für morgen.
Ich glaube ich mache morgen zwei Etappen 23 km und 13 km. Ich entscheide mich spontan. Es soll den ganzen Tag heftig regnen und windig sein.

Um 20.30 Uhr findet in der kleinen Hauskapelle eine kleine Andacht statt. Ich bekomme alles übersetzt. Ich selbst soll den Psalm 107, 4 bis 9 lesen, aber gerne doch. Ich zünde wie immer 6 Kerzen für meine Familie an. Gewohnheit… Ritual….

Der Gitarrist spielt und singt: Bridge over troubled water

Mir kommen die Tränen. Heute früh habe ich den Song beim Laufen über mein Handy gehört. Ich war bereits von der Schönheit der Natur berührt und kurz vorm Weinen. Jetzt kullern sie die Tränen. Ich denke an Harpe Kerkeling, der erklärt, dass jeder auf dem Pilgerweg mindestens einmal weint.


Liedtext als Übersetzung:
Wenn du erschöpft bist und dich klein fühlst,
Wenn deine Augen voller Tränen sind,
Werde ich sie alle trocknen

Ich bin an deiner Seite,
Wenn die Zeiten rau werden
Und Freunde einfach nicht zu finden sind

Wie eine Brücke über unruhiges Wasser,
Werde ich mich niederlegen
Wie eine Brücke über unruhiges Wasser,
Werde ich mich niederlegen

Wenn du völlig erledigt bist,
Wenn du auf der Straße bist,
Wenn der Abend dir total schwer vorkommt, werde ich dich trösten
Ich werde deinen Teil übernehmen
Ohh, wenn die Dunkelheit kommt
Und überall Schmerz ist

Wie eine Brücke über unruhiges Wasser,
Werde ich mich niederlegen
Wie eine Brücke über unruhiges Wasser,
Werde ich mich niederlegen

Segel weiter, Silbermädchen, segel daran vorbei
Deine Zeit zu strahlen ist gekommen
All deine Träume sind auf dem Weg
Sieh wie sie scheinen

Ohh, wenn du einen neuen Freund brauchst
Ich segel direkt hinter dir

Wie eine Brücke über unruhiges Wasser,
Werde ich deine Gedanken erleichtern
Wie eine Brücke über unruhiges Wasser,
Werde ich deine Gedanken erleichtern

Ich lasse das Lied in meinem Zimmer nachklingen. Ich genieße die Stille.


29.07.21 18. Etappe:
Von Fokstugu nach Hjerkinn und gleich die nächste Etappe nach Kongsvold

Wetter: Dauer-Nieselregen bis 14 Uhr, danach wechselhaft, 3 bis 12 Grad
Tageskilometer: 38 km
Aussortiert: Sonnencreme (bei diesem Regenwetter nicht mehr notwendig)

Weiter geht es heute durch die Hochmoore Norwegens, am See Avsjoen und später am Fluss Folla entlang. Ich passiere den südlichsten Palsahügel. Palsas sind Torf Hügel mit einem dauerhaft gefrorenen Torf- und Mineralbodenkern. Eine ihrer Eigenschaften sind steile Hänge, die sich über die Mooroberfläche erheben. Dies führt zur Ansammlung großer Schneemengen um sie herum. Die Gipfel der Palsas sind auch im Winter schneefrei, da der Wind den Schnee fortträgt, der sich auf den Pisten und anderswo in der Ebene ablagert. Palsas können einen Durchmesser von bis zu 150 m haben und eine Höhe von 12 m erreichen.

Ich laufe über Bohlen, Baumstämme, hüpfe von Stein zu Stein, über unzählige Bäche…. Das Springen bereitet irgendwann mit dem Rucksack wirklich Schwierigkeiten. Die Steine sind rutschig und die Bohlen brechen leicht, weil sie morsch sind. Immer wieder versinke ich bis zu den Knien im Moor. Von oben der Regen, von unten Wasser. Jeder Schritt quietscht in meinen Schuhen.

Außerdem komme ich an einer Bagastelle vorbei. Eine Art historischer Jägerstand, der die Zone anzeigt, wo seit jeher Rentiere von den Winterplätzen zu ihren Sommerweiden ziehen. Aus meiner Sicht lagen da einfach nur ein paar Steine im Kreis…

An der Kulturminne Vesle Hjerkinn ist eine hölzerne Rekonstruktion des Fundaments eines alten Bauernhofes zu sehen aus dem 8. Jahrhundert und für Pilger eine wichtige Unterkunft war. Das ist auch irgendwie eine seltsame Anmutung. Manchmal machen sie aus Belanglosigkeiten eine historische Sache.

Der Vormittag war echt anstrengend. Dann komme ich in die Kirche. Das Pilgerzentrum, auf das ich mich für eine trockene Pause freue kennt niemand. Also dann einen Apfel essen, ein paar Nüsse und weiter geht’s in die nächste Etappe.

Die Sonne kommt gelegentlich zum Vorschein. Die Natur ist und bleibt großartig. Diese Weite und Schönheit nicht zu beschreiben.

Um 17.45 Uhr erreiche ich Kongsvold. Das ist ein schönes Hotel mit einer Pilgerherberge, die wirklich schauderhaft ist. Das passt nicht zusammen. Sie haben trotzdem kein Zimmer frei. Ich soll Carla, eine Holländerin fragen, ob ich bei ihr im Zimmer schlafen darf. Sie stimmt zu. Nur ein Bettgestell ohne Kissen, Decke usw.
Immerhin gibt es Abendessen. Juhu.

Da ich am nächsten morgen früh weg will und das Frühstück erst um 9 Uhr beginnt bietet man mir ein Lunchpaket an. Ich stimme zu und erhalte 2 Scheiben Toastbrot mit je einer Scheibe Käse ohne Butter ohne alles, dafür hat man das Trennpapier am Käse kleben lassen. Okay, ich packe es in den Kühlschrank für den Folgetag.

Ich dusche und gehe dann mit Carla um 19 Uhr zum Essen. Zwei Pilger-Norwegerinnen sitzen auch am Tisch. Sie verstehen nicht, wie man mehr als 10 bis 15 km pro Tag laufen kann und will. Dass es mir gut tut und Freude bereitet ist ihnen unbegreiflich. Sie starten erst gegen 10.30 Uhr und brauchen viele Pausen. So langsam wie sie sprechen werden sie auch gehen. Alles gut. Jeder in seinem Tempo.